Von der Tankstelle zum Logistikzentrum für mobile Menschen

Seit 30 Jahren beliefert Lekkerland Tankstellen-Shops in ganz Österreich. Wir haben uns die Geschichte der Tankstelle und ihrer Infrastruktur angesehen und recherchiert, wie diese vor 30 Jahren ausgesehen haben und in 30 Jahren aussehen werden.

Es war 1888 in Mannheim, als sich Bertha Benz heimlich auf die erste dokumentierte Autofahrt in das 100 Kilometer entfernte Pforzheim wagte. Sie setzte damit einen Meilenstein in der Automobilgeschichte. Das Benzin dafür nahm sie von zu Hause mit. Als das nicht ausreichte, wurden mehrere Apotheken um deren Vorräte an Ligroin – einem Leichtbenzin für sanitäre Zwecke – erleichtert. Danach ging es Schlag auf Schlag. Erst wurde das Benzin noch von Händlern am Straßenrand in Blechkanistern feilgeboten. Dann, 1920, wurden die ersten Zapfgeräte entwickelt. 1923 entstanden die ersten kleinen Tankkioske mit Zapfsäulen, an denen per Hand Benzin aus Unterflurtanks hochgepumpt wurde. Der zunehmende Automobilverkehr veranlasste Mineralölgesellschaften dazu, eigene Tankstellen mit Firmenlogo im Firmendesign zu errichten. Wichtig bei der Architektur war der Komfort für die Kunden. Sie und ihre Fahrzeuge sollten vor Regen und Schnee geschützt vom Tankwart bedient werden. Im Gegensatz zum amerikanischen Autofahrer stiegen die Europäer in den 30er-Jahren gerne beim Tanken aus dem Auto. So entstanden die noch heute für Tankstellen typischen Überdachungen. Die erste Tankstelle Österreichs wurde am 16. September 1924 in Graz in Betrieb genommen.

Die Tankstelle vor 30 Jahren

Ältere Semester unter den Lesern werden sich daran erinnern, dass in den 1990er-Jahren an den Tankstellen noch verbleites und unverbleites Benzin nebeneinander angeboten wurden. Was für die moderne umweltfreundliche Katalysatortechnik „Gift“ war, war für ältere Automodelle notwendiges Übel.

Ende der 1990er-Jahre sorgten immer schärfere Gesetze dafür, dass alle Tankstellen die Auflagen des Umweltschutzes erfüllen mussten. In dieser Zeit wurden viele Tankstellen umgebaut und erweitert. Führten die Tankstellenshops lange Zeit Produkte rund um das Fahrzeug, wurde das Shop-Angebot an die Bedürfnisse der Kunden angepasst.

 

Schritt für Schritt wurden in Österreich, Deutschland und in der Schweiz die Tankstellen-Läden weiter ausgebaut. Da der Betrieb dieser Shops vom Ladenschlussgesetz ausgenommen wurde, übernahmen diese immer mehr auch die Funktion von Nahversorgungseinrichtungen.

Vor etwa 30 Jahren – am 26. Juni 1990 – eröffnete die erste OMV-Tankstelle in Österreich in Wien Auhof ihre Pforten und legte damit den Grundstein für den Aufbau des umfassenden Tankstellen- und Shop-Netzes in Österreich.

Waren es in den 70er- und 80er-Jahren noch Produkte wie Treibstoffe, Öle, Frostschutz und andere für den Betrieb der Fahrzeuge notwendige Artikel, die in den Shops angeboten wurden, kamen nach und nach Produkte für die Fahrzeugpflege und dann auch Snacks, Getränke und diverse Mitnahmeartikel dazu. Vor der Inbetriebnahme der Shops, wie wir sie heute kennen, waren Treibstoffe & Co zu 100 Prozent für den Tankstellenumsatz verantwortlich. Heute tragen gut sortierte Tankstellen-Shops zu einem wesentlichen Anteil am Gesamtumsatz des jeweiligen Standortes bei.

1923 wurden die ersten Zapfsäulen entwickelt,
aus denen Benzin per Hand gepumpt wurde.

Im Innovationspark Zusmarshausen
entsteht die derzeit größte Stromtankstelle der Welt.

Die Tankstelle in 30 Jahren

Doch wie wird sich die Tankstelle in den nächsten 30 Jahren weiterentwickeln? Ein Indikator für das künftige Angebot der Tankstellen ist in Europa das geplante Verbot von Verbrennungsmotoren in Fahrzeugen. Hier sind die nordeuropäischen Staaten wie beispielsweise Norwegen mit dem rigoros geplanten Ausstieg bereits 2025 an der Spitze. Einige EU-Staaten verfolgen das Ziel, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren zuzulassen – darunter auch Österreich. In Spanien sollen ab 2040 keine Verbrennungsmotor-Fahrzeuge mehr verkauft werden und ab 2050 auch keine solchen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen fahren dürfen. 

Servicestationen für Menschen mit und ohne Auto

Unabhängig von der künftigen Energieform werden die drei wesentlichen Säulen des heutigen Tankstellengeschäftes – Kraftstoffe, Shop und Autowäsche – um weitere Leistungsbereiche für mobile Menschen mit und ohne Auto erweitert. In den nächsten 30 Jahren wird sich der Sektor der mobilen Dienstleistungen revolutionieren. Autonomes Fahren, Mobilität on Demand – also Mobilität auf Abruf – und Pooling-Modelle mit mehreren Fahrgästen in einem Fahrzeug werden eine neue Infrastruktur bei den Service-Stationen benötigen. Wandelnde Mobilitätsmuster, demografische und technologische Veränderungen bringen neue Chancen für Service und Angebote an den Stationen, denn in der Geschichte der Tankstellen haben sich diese immer an den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden orientiert.

Vom Landeplatz für Luft-Taxis bis zum Meeting-Raum

Immer mehr Menschen pendeln täglich zu ihrem Arbeitsplatz. Für diese Menschen kann die Service-Station der Zukunft Umsteigeplatz werden. Vom Landeplatz für das Luft-Taxi am Dach des Gebäudes führt der direkte Weg in Meeting-Räume, die stundenweise angemietet werden, oder ins Mobile Office. Service-Stationen für autonome Flotten, Batterielade- und -wechselstationen, Bereiche für das Zapfen von Strom oder Wasserstoff kennzeichnen die Tankstelle von morgen. Der Shop mit Bistro und Home-Delivery wird um eine Pick-up-Station für Warenlieferungen und ein dafür eingerichtetes Mikrodepot erweitert. So wird die Tankstelle der Stadt zum serviceorientierten Mobilitätszentrum, während die künftige Tankstelle auf dem Land auch die Funktion des Nahversorgers und des sozialen Treffpunkts übernimmt.

Standorte an Autobahnen werden zusätzlich alle Kraftstoffalternativen für den Fernverkehr anbieten, aber auch Haltestellen für Fernbusse und sogenannte Cubes, in denen sich Trucker ausruhen können, sowie erweiterte Gastronomiekonzepte werden an diesen Standorten vorhanden sein.

Über den Städten kreisende Lufttaxis, autonom auf Autobahnen fahrende Lkws und Dienstleister, die ihren Kunden in ländlichen Regionen Paketlieferungen von der Tankstelle mitbringen, können im Jahr 2050 bereits Realität sein.

Die größte Stromtankstelle der Welt – mehr als eine Tankstelle

Im deutschen Zusmarshausen im Landkreis Augsburg entsteht derzeit die größte Stromtankstelle der Welt. Während man in den USA an der größten Tankstelle der Welt an 120 Tankstellenplätzen sein Fahrzeug herkömmlich betanken kann, entstehen in Zusmarshausen insgesamt 156 Ladepunkte für Elektroautos. Wer einen von 24 Supra-Schnellladern mit einer Leistung von 350 kW nutzt, kann das Auto innerhalb von zehn Minuten voll aufladen. Nachdem es derzeit noch kein Fahrzeug auf dem Markt gibt, das das kann, werden 120 Schnelllader mit bis zu 50 kW installiert. 

Während des Ladens können die Fahrzeugbesitzer essen, einkaufen oder arbeiten. Die gesamte Anlage ist barrierefrei geplant. Die Kunden werden über das Smartphone eine App nutzen können, die die Autos erkennt, Ladestationen zuweist, Mietbüros zugängig macht oder es ermöglicht, Interneteinkäufe aus gekühlten Boxen abzuholen.